Expositionstraining bei Sozialen Ängsten

Das Expositionstraining, auch Expositionstherapie oder Konfrontationstherapie genannt, ist eine sehr wirksame Behandlungsmethode in der Therapie der Sozialen Ängste. Die Betroffenen erarbeiten bei dieser Behandlungsmethode zunächst zusammen mit ihren Therapeuten, welche Situationen die Ängste auslösen und welches Vermeidungsverhalten eventuell eingesetzt wird.

Nach einer ausführlichen Vorbereitungsphase, in der z.B. Übungen wie die Hyperventilation durchgeführt werden, können die Betroffenen in den Expositionen - unterstützt durch ihre Therapeuten - lernen, wie sie die angstbesetzten Situationen wieder aufsuchen können. Im weiteren Verlauf erlernen die Betroffenen, wie sie auch eigenständig ohne Begleitung des Therapeuten Expositionen wirksam durchführen können. Hierdurch können sie ihre Selbstwirksamkeit wieder erheblich verbessern und ihr Selbstwertgefühl wesentlich steigern.

Im Vergleich zur reinen Gesprächstherapie ist die Expositionstherapie ein wirksameres, jedoch auch sehr aufwendiges Therapieverfahren, das möglichst nur von Therapeuten mit großen Erfahrungen in der Angsttherapie eingesetzt werden sollte.

Durch Rollenspiele und Verhaltensexperimente erfolgt dann der Aufbau einer realistischeren Selbstwahrnehmung. Im weiteren Verlauf der Behandlung erlernen die Betroffenen, wie sie auch ohne Begleitung des Therapeuten Expositionen durchführen können. Parallel dazu werden ungünstige, selbstabwertende Gedanken und Grundannahmen hinterfragt und verändert.

Neben der Expositionstherapie ist es wichtig, dass die Betroffenen Strategien zum Unterbrechen ihrer belastenden Gedanken kennen lernen und erfahren, wie sie diese Gedanken in hilfreiche Kognitionen verändern können. Hierzu gibt es verschiedene Techniken, wie z.B. das sogenannte kognitive Umstrukturieren, die im Rahmen der Therapie erarbeitet werden können.

“Warum mir Expositionstherapie geholfen hat...”

Erfahrungsbericht einer Betroffenen

“Als Jugendliche kam ich zum ersten Mal stationär in Behandlung. Die Klinik war auch der erste Ort, an dem ich mich therapeutisch mit meiner Sozialen Phobie auseinander­setzen konnte. Da es zu diesem Zeitpunkt noch keine separate Station für Jugendliche gab, war ich als eine der wenigen Minderjährigen mit vielen Erwachsenen untergebracht. Dass ich auch an einer Gruppe zur Bewältigung Sozialer Ängste teilnehmen konnte, stimmte mich neugierig. Natürlich machte es mir auch Angst, aber zunächst nicht mehr als alle anderen Situationen, in denen ich dort mit Fremden im Stuhlkreis saß und mich öffnen sollte. So wurde schon die erste Sitzung zu einem Ereignis, das in meiner persönlichen Angsthierarchie eher weit oben lag.

Natürlich war ich mit Abstand die Jüngste. Aber bestimmt hatte jede Person in diesem Raum Gründe, zu denken, die (negative) Aufmerksamkeit falle genau auf sie selbst! Nach einer kurzen Vorstellungrunde wurde schnell klar, dass wir alle im selben Boot saßen. Fast allen Teilnehmenden sah man die Nervosität an. Die Erkenntnis, mit meinem Unwohlsein nicht allein zu sein, erlaubte mir, mich ein bisschen zu entspannen.

Es stellte sich heraus, dass die Gruppentherapie eine Mischung aus Theorie und Praxis werden sollte. Zum Einen bearbeiteten wir ein Skript, das unser “Training Sozialer Kompetenzen” begleitete. Zum Anderen erprobten wir zu jeder Lektion eine Beispielsituation im Rollenspiel und nach Abschluss aller Sitzungen erwartete uns ein ganzer Tag zur Exposition!

Kaum überraschend ist, dass mir der theoretische Teil besser gefiel. Jedes Thema war perfekt ausgewählt. Ich schien zwar fast in jedem Bereich Nachhilfe zu brauchen - sei es “Nein sagen” oder “ein Recht einfordern” oder “ein Bedürfnis äußern” oder “Lob annehmen” oder “Kritik äußern” - aber das Formulieren der angemessenen Aussagen oder die Theorie eines selbstsicheren Auftretens fielen mir so leicht, dass man meinen könnte, ich hätte die Soziale Kompetenz persönlich erfunden.

Die Umsetzung im Rollenspiel verlief dafür umso holpriger. Sätze, die mir in sensu noch selbstverständlich schienen, wollten mir in vivo nicht über die Lippen kommen! Erst nach mehreren Versuchen und mit der Unterstützung der anderen Teilnehmenden gelangen mir Erfolge. Mit meiner persönlichen Angsthierarchie im Hinterkopf “durchstand” ich Übungen mit etwas ZU langem Blickkontakt, etwas ZU lautem Sprechen und etwas ZU unangenehmen Bewegungen. Ich überlebte sie alle und musste der Therapeutin und mir selbst eingestehen, dass die befürchteten Folgen nicht eintraten. Auf der Verhaltensebene hatte ich bestanden, geschämt habe ich mich trotzdem. Aber – wie mir alle anderen versichern mussten – niemand fand mich peinlich, hielt mich für unzulänglich, dumm oder indiskret. Ich versuchte, es anzunehmen. War das alles?

Es war nicht alles. Der “große Tag” stand noch bevor. Bisher hatten wir im geschützten Rahmen Situationen nachgespielt, die im Alltag sehr wahrscheinlich auftreten würden. Mit Hilfe dieser graduierten Exposition fühlte ich mich – mehr oder weniger – gut auf spätere soziale Interaktion vorbereitet.

Beim letzten Treffen der Gruppentherapie zur Bewältigung Sozialer Phobie fanden wir uns alle zusammen und fuhren in die nächstgrößere Stadt. Als ob die gemeinsame Fahrt mit Smalltalk nicht schon Exposition genug gewesen wäre! Heute aber sollten wir lernen, dass selbst dann nichts Schlimmes passiert, wenn wir das genaue Gegenteil von Vermeidungsverhalten machen. Wenn wir in unserem Auftreten völlig übertreiben und uns verhalten wie jemand, der noch nie von Bewertungsangst gehört hat!

Keinen Moment zu früh erfuhren wir von den Übungen, die wir in Kleingruppen mitten in der Innenstadt zu erledigen hatten. Sich bei mindestens zehn Fremden Personen nach dem richtigen Weg zu erkundigen, war noch gut zu bewältigen. Bei Sonnenschein aber mit aufgespanntem Regenschirm durch die Fußgängerzone zu stolzieren, sich im Kaufhaus mit Socken zu bewerfen oder singend durch die Straßen zu tanzen, kam mir aber wir ein schlechter Scherz vor! Alle Personen in der Stadt müssen gedacht haben, wir gehörten zu “Verstehen Sie Spaß?”. Oder sie dachten, wir hätten tatsächlich Spaß. Mehr aber auch nicht.

Es muss dieses berühmte “Flooding” gewesen sein, denn meine Angst stieg zwischenzeitlich bestimmt auf eine 10 von 10. Aber – um die Pointe vorwegzunehmen – auch an diesem Abend lag ich lebendig in meinem Bett und war nicht nur unbeschadet davongekommen, sondern sogar ein bisschen stolz.

Ob mir die Gruppentherapie langfristig geholfen hat? Wahrscheinlich!

Die Soziale Phobie gehört zu den Ängsten, mit denen man fast täglich konfrontiert ist. Das alltägliche Leben sorgt dafür, dass ich immer wieder aus meinem Vermeidungsverhalten herausgeschubst werde und mich in der Sozialen Interaktion wiederfinde. So hörten die Übungen und das Expositionstraining streng genommen nie wieder auf! Ich bin als schüchterner Mensch mit Bewertungsängsten entlassen worden und bis heute nicht frei von Ängsten. Aber ich bin tausend Level höher, als ich je gehofft hätte! Ob Therapie, Schule, Chor, Uni, oder Arbeit - ich musste ständig meine Komfortzone verlassen. Dabei konnte ich manchmal nur schmunzeln, denn immer wieder passierte es: nichts. Nichts Schlimmes.

Inzwischen arbeite ich in der Gastronomie und bediene hunderte von Menschen täglich. Ich führe freiwillig Interviews im Rahmen eines Kurses an der Uni. Ich kann mich im Geschäft beraten lassen, bis ich die Informationen habe, die ich wollte. All das und viel mehr habe ich durch das gelernt, was Expositionstherapie ausmacht: Ausprobieren, wenn Altes nicht mehr schwerfällt. Angst wahrnehmen und aushalten. Merken, dass es geht. Es geht!”

Weiterlesen:
   • Expositionstraining
   • Expositionstherapie (Fachinformationen)

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